Farbenfrohes Spektakel in Schwabach

Landeskommandantentagung des Verbandes der Historischen Bürger- und Landwehren

Zeitungsbericht im Schwabacher Tagblatt vom 25.03.2013

SCHWABACH – Ein besonderes und seltenes Erlebnis für alle Freunde historischer Uniformen und anderen historisch Interessierten gab es am Samstag in Schwabach zu bestaunen: Zur Landeskommandantentagung des Landesverbandes der Historischen Bürger- und Landwehren waren Abordnungen von rund 25 örtlichen Verbänden aus ganz Bayern in die Goldschlägerstadt gekommen.

Nach einem Empfang im Bürgerhaus gab es einen Festzug mit Marschmusik zum Marktplatz, dann Aufstellung im Carrée, Abschreiten der Ehrenformation durch den Schirmherrn, Wolfgang Prinz von Bayern, Ehrungen, Übergabe der Landesfahne und Salutschüsse vor dem Rathaus, anschließend einen weiteren Festzug mit Blasmusik zum Alten DG, wo nach einer abschließenden Aufstellung der interne, nichtöffentliche Teil der Kommandantentagung stattfand. Da in Schwabach nicht gerade jeden Tag eine historische Militärparade stattfindet, kamen mehrere hundert Neugierige auf den Marktplatz.
Neben den relativ häufigen Königlich Bayerischen Uniformen, die grundsätzlich in Dunkelblau gehalten sind, waren auch zahlreiche andersfarbige Uniformen zu bewundern, die die Zugehörigkeit der jeweiligen Truppe zu anderen Herrschaften anzeigen – etwa den Fürstbischof von Bamberg oder den Deutschen Orden. Diese tragen auch Weiß mit Türkis-Gelb oder Weiß-Blau mit schwarzem Dreispitz. Kenner erkennen an den Farben der Uniform-Beschläge, Revers und Helmbüsche ferner den Waffentypus – bei den Bayern etwa Grün für Schützen und Rot für Artillerie.

Wie im Dreißigjährigen Krieg
Recht auffällig ist die Uniform der „Hochfürstlich Lobkowitzischen Grenadier Garde der Gefürsteten Grafschaft Sternstein“ aus Neustadt/Waldnaab – in Braun-Rot, nebst hoher, schmaler Granadiersmütze. Der böhmische Fürst Lobkowitz benötigte einst, um einen Sitz im Reichstag zu erhalten, eine Besitzung im Reich – und das war das kleine Sternstein. Zu deren Sicherung gab es diese Grenadiergarde.
Die jüngsten Mitglieder im Landesverband haben gleichzeitig die ältesten Vorbilder für ihre Uniformen: Das „Kurbayerische Dragonerregiment Johann Wolf“ aus Miltenberg bezieht sich auf eine historische Truppe aus dem Dreißigjährigen Krieg. Daher erinnern die Uniformen mit knielangen Pluderhosen, breitkrempigen Hüten, Umhängen und großen Federbüschen sowie teilweise gewagten Barttrachten optisch ein wenig an Dartagnan und die Drei Musketiere. Die Miltenberger sind erst kürzlich dem Landesverband beigetreten.

Die zahlenmäßig größte Truppe stellten natürlich die gastgebenden Schwabacher, nämlich die Historische Königlich Bayerische Bürgerwehr-Artillerie Wolkersdorf unter dem Kommando von Hauptmann Helmut Müller. Wie mehrere Festredner durchblicken ließen, ist es vor allem Müllers unermüdlichen Engagement zu verdanken, dass diese Landeskommandanten-Tagung nach vielen Jahren einmal wieder in Schwabach stattfand.

1977 von Gerd Lehner gegründet
Mit dieser Tagung kam der Verband sozusagen temporär „heim“, da der Landesverband 1977 vom verstorbenen Kommandanten der Historisch Königlich Bayerischen Bürgerwehr-Schützen-Compagnie Schwabach (heute unter dem Kommando von Hubert Weber), Oberst Gerd Lehner, gegründet wurde. Auf diesen Umstand wies unter anderem der heutige Landeskommandant, Oberst Jürgen Völkl, hin. Er erklärte weiter, dass die historischen Bürger- und Landwehren in Bayern und Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert genössen, in Norddeutschland deutlich weniger.
Alle Festredner unterstrichen und lobten das Engagement der Historischen Landwehren für Gemeinsinn, Geschichtspflege und Geselligkeit. Die Bürger- und Landwehren waren ja die Vorläufer aller öffentlichen Sicherheitsdienste, die es heute als separate Organisationen gibt: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst.
Oberbürgermeister Matthias Thürauf bedauerte, heute habe die Stadt leider keine eigene Truppe mehr, die für Ruhe und Ordnung sorge. Dabei täte es auch heute einigen „allzu lauten Rotzlöffeln“, die bei der Kirchweih über die Stränge schlagen, eventuell ganz gut, wenn Helmut Müller sie einmal tadelnd am Ohr zöge: „Das hätte bestimme eine große Wirkung“, so Thürauf. Zusammenhalt und füreinander Einstehen seien die bürgerschaftlichen und konservativen Werte, für die die Bürgerwehren stehen.

Werte mit Leben erfüllen
Auch der Schirmherr des Landesverbandes, Wolfgang Prinz von Bayern, betonte den Sinn der Bürgerwehren, traditionelle Werte zu erhalten und sie mit Leben zu erfüllen. Die Tendenz zum Individualismus, zur Vereinsamung der Menschen, zum Egoismus sei nicht gut. Bundestagsabgeordneter Michael Frieser unterstrich, selten habe er sich so behütet gefühlt wie heute. Wenn man sich in eine historische Idee verliebe, sie zum Hobby mache, dem Allgemeinwohl diene und damit auch die eigene Familie einbinden könne – das sei der „Kitt der Gesellschaft“, so Frieser.
Der Fraktionsvize der Landtags-CSU, Karl Freller, sagte, die Geschichte der Bürger- und Landwehren sei eine Geschichte von Mut und Zivilcourage, die Stadt und die Schwachen zu schützen, genau hinzuschauen und einzugreifen, wenn nötig. Heute häufe sich die sinnlose Gewalt auf U-Bahnhöfen und Straßen, und manche würden totgeschlagen, wenn sie versuchten, Kindern zu helfen. Der katholische Stadtpfarrer, Domkapitular Alois Ehrl, stellte fest, in der Zeit des Individualismus fragten zu viele, was die Gemeinschaft für sie tun könne. Das Ziel müsse aber lauten, umgekehrt zu fragen, was der Einzelne für Stadt, Land und Gesellschaft tun könne. Wenn die Menschen im Sinn Aller handelten, sei das ganz sicher im Sinn Gottes.

Bericht und Fotos von Wolfram Göll

Aufstellung zum Abmarsch: Kommandant Helmut Müller (Mitte) und seine Bürgerwehr-Artillerie Wolkersdorf (Vordergrund).
Im Hintergrund die im Carrée angetretenen Bürger- und Landwehren aus ganz Bayern.

Ganz schön strecken musste sich Schirmherr Wolfgang Prinz von Bayern, als er OB Matthias Thürauf eine Ehrenmedaille ansteckte.
In braun-roter Uniform der Landeskommandant des Landesverbandes der Historischen Bürger- und Landwehren, Jürgen Völkl.